Besondere Sonntags-Schmakazie für das hübsche langhaarige Volk, das die Blumen lieb hat, aus Blancas kleine-kleinigkeiten-Blog:
Notizenhalter.
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Nächsten MONTAG ist Tagblatts Ruhetag, übrigens.
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1. Ton ab für
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S;=)
2. Bild des Tages:
Wappen der Stadt Jena, genehmigt am 16. September 1992 „Das Wappen der Stadt Jena zeigt in Silber einen silber-blau gekleideten Engel mit langen goldenen Haaren sowie goldenem Nimbus, Harnisch, Helm und Flügel; mit der Rechten einem grünen Drachen eine Lanze in den Rachen stoßend, in der Linken einen goldenen Schild mit aufgerichtetem schwarzen Löwen haltend; der linke Fuß steht auf dem Drachen. Unter dem Drachen ein kleiner silberner Schild mit blauer Weintraube.“ [Text- und Bildquelle: wikimedia.]WiTzels Ergänzung: Wikimedia ist schon ganz nett, und nett sind sie alle. Wikimedia weiß aber nicht alles und will auch nicht alles wissen. Dieser Engel ist ein Erzengel und hat einen Namen: Er heißt Michael und ist der Schutzpatron der Deutschen. Deshalb reden wir vom „deutschen Michel“. – Als ich vor Jahren beim Freiluft-Konzert von Carlos Santana in der Wuhlheide war, begrüßte er zu Beginn die Erzengel. Das hat mich überrascht, aber es war eine gelungene und gute Überraschung…
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S;=)
3. Spruch zum Tage:
Wer nichts verändern will, wird auch das verlieren, was er bewahren möchte.
GUSTAV HEINEMANN, früherer Bundespräsident – im Gegensatz zu Gauck ein entschiedener Gegner der Beteiligung Deutschlands an irgendwelchen Waffengängen.
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S;=)
4. Kalendergeschichte:
EU-Vorläufer Napoleon spielte im besetzten Berlin mit seinen Generälen Karten. Für den Einsatz warf er ein paar Goldmünzen mit seinem Bilde (Napoleon d’ors) auf den Tisch und sagte: „Den Preußen gefallen diese kleinen Napoleons ja ganz gut.“
„Stimmt“, nickte General Rapp, „jedenfalls viel besser als der große.“
Tja, heute gefällt mir auch der kleinste Euro immer noch besser als die größte EU.
6. Fortsetzungsgeschichte: CAFÉ FANTASY – Folge 26
Heute tauchte beim Open Stage im CAFÉ FANTASY unvorhofft der Gesangshumorist Herbert-Friedrich WiTzel auf, um ein neues Lied zu präsentieren und auszuprobieren, von dem wir hier die erste Strophe wiedergeben:
Wir lindern Lampedusas Leid
mithilfe der EUhuhu:
Wir schicken Schulz nach Afrika
und Juncker mit dazu.
Die I-, die I-, die ISO-Norm,
die brauchen sie dort sehr!
Ist erst mal alles ISOliert,
flieht keiner mehr hierher.
Otto Reutter und die Tänzerin Saharet. [Bildquelle: Archiv Witzel.]Eins meiner Lieblingsfotos.
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S;=)
3. Spruch zum Tage:
Nicht so laut, nicht so laut!
Willst du ein guter Deutscher sein,
dann rückst du deine Steuern raus
und den Ärger schluckste rein.
OTTO REUTTER um 1900 herum – klingt ja verdamm aktuell.
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S;=)
4. Kalendergeschichte von Otto Reutter: „Man muss sich bloß erst dran gewöhnen …“
Ein Mädchen, das stets Freude hatte
an Männer, kräftig, stramm und groß,
zeigt mir ’nen Mann: „Das ist mein Gatte.“
Der Mann war klein, ein Meter bloß.
Ich frug: „Was tust du mit so’m Kleenen?“
Sie sagt: „Der Kleene is een Aas –
man muss sich bloß erst dran gewöhnen,
dann macht so’n Zwerg ’nen Riesen-Spaß.“
Zu seinem Freunde sagt Herr Lehmann:
„Nimm mir’s nicht krumm, ich muss gesteh’n:
Du bist ein junger, fescher Eh’mann,
doch deine Frau ist nicht sehr schön.“
Er sagt: „Was hab ich von ’ner schönen?
Ich hab ’ne liebe, treue Frau –
man muss sich bloß erst dran gewöhnen,
bei Nacht sind alle Katzen grau.“
Frau Schulz wollt‘ gern ein Kindlein haben –
zehn Ehejahre war’n vorbei,
da bracht‘ der Storch den ersten Knaben,
im nächsten Jahre kamen zwei.
Dann ward sie Mutter von drei Söhnen
„Na, seh’n Sie“, sagt der Doktor ihr,
„man muss sich bloß erst dran gewöhnen,
im nächsten Jahr, da krieg’n Sie vier.“
1.Bild und Ton ab für ein flottes Lied mit flotten Mädels:
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S;=)
2. Bild des Tages:
Albrecht Dürer: Hetero Street Day In Paradise (1507).
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S;=)
3. Spruch zum Tage:
Das Leben ist entweder ein Seil oder ein Federbett.
Man gebe mir das Seil.
ALBRECHT DÜRER (1471 – 1528), deutscher Maler, Graphiker und Kunstschriftsteller.
Kommentar und Erläuterung:
Das ewig Weibliche zieht uns hinan.
JOHANN WOLFGANG VON GOETHE.
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S;=)
4. Kalendergeschichte:
Am heutigen Kalendertag mach ich Musik auf dem U-Bahnhof Möckernbrücke und muss gleich los, deshalb hör ich jetzt hier auf. Morgen geht’s weiter!
>>> Bin heute schon wieder da. Es war kein Erfolg, sondern eine Erfahrung. Erstens hatte ich die Genehmigung zum Musikmachen zu Hause liegengelassen und zweitens passt meine Art als Gesangshumorist nicht in einen U-Bahnhof. Na, wieder was dazugelernt!. 🙂
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Ist noch in Arbeit.
5. Vorlesung ― u.a. geht es diesmal um eine „Propheten-Ehe“ sozusagen, nämlich dieVerheiratung eines 8jährigen Mädchens mit einem 30jährigen Mann (Kaufpreis: 1.100 an den Vater und seine zwei Ehefrauen):
Tagesmusik Marke „Hüpfender Floh“ (= Übersetzung von „Uku lele“);
Bild des Tages: Palais Ephraim;
Spruch zum Tage von Robert Gernhardt;
Kalendergeschichte, diesmal zum Thema der GROSSEN EU-Tiere;
Vorlesung, Wolf Haas;
Fortsetzungsgeschichte live.
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Nächsten MONTAG ist Tagblatts Ruhetag, übrigens.
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1. Ton ab für
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S;=)
2. Bild(er) des Tages:
a)
Heinrich Zille: Palais Ephraim (1910).
b)
Palais Ephraim im Nikolaiviertel hundert Jahre später (2010). [Bildquelle: wikimedia.]= = =
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3. Spruch zum Tage:
Von der großen Stadt Berlin // kannst du viel erwarten. // Solltest nur kein Weichei sein: // Berlin ist mit den Harten.
ROBERT GERNHARDT.
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4. Kalendergeschichte von großen und kleinen EU-Tierversuchen:
Kommt eine fette Henne aus dem Regierungsviertel zum Hausschwein von nebenan: „Was hältst du von nem Joint, also, ich meine, von nem Joint Venture nach ISO-Norm für dich und deinen Nachwuchs?“ — „Hört sich doch gut an“, freut sich das Hausschwein, „was wollen wir denn produzieren?“ — „Ham And Eggs à la Gauck“, gackert die Henne. Das Schwein kriegt eine Gänsehaut vor Entsetzen: „Dann steckst du ja das Geld ein und wir gehen hier alle vor die Hunde!“ — „Tja“, sagt die fette Henne, „so ist das eben bei unseren Joint Ventures.“
„Thomas Haas“ meint Wolf Haas, übrigens, und es ist die Empfehlung einer Lieblingsbuchhändlerin.
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6. Fortsetzungsgeschichte:
Morgen am Freitag bin ich ab zehn Uhr vormittags auf dem U-Bhf. Möckernbrücke zu hören, deshalb fällt die Fortsetzungsgeschichte heute aus bzw. dieses ist das aktuelle Kapitel … schließlich kostet die BVG-Genehmigung pro Tag und U-Bhf. 7,20 EUR, da will ich was von haben und bereite mich heute entsprechend vor als Freiberufler, bin ja nicht als Bande oder Fraktion oder Koalition organisiert wie die bettelnden Roma oder „unsere“ Politiker. 😉
Kalendergeschichte, diesmal aus BERLIN WEISSENSEE;
Vorlesung, Franz Kafka;
Fortsetzungsgeschichte morgen wieder, fällt heute aus.
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Nächsten MONTAG ist Tagblatts Ruhetag, übrigens.
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1. Ton ab für
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2. Bild des Tages:
John Brandard: Die Queen- und Prinz-Albrecht-Polka (1840). [Bildquelle: The Yorck Project.]= = =
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3. Spruch zum Tage:
Natürlich kommt meine Musik aus Afrika, wie alle gute Musik hat sie da ihren Ursprung. Aus Europa kommen der Walzer und die Polka. Der Rest kommt aus Afrika.
CARLOS SANTANA (den ich hier in Berlin mal vor Jahren in der Wuhlheide laut und live erleben durfte – hat sich gelohnt!).
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4. Kalendergeschichte:
Jeder Bezirk hat seine eigene Statistik: In Neukölln sind die Mietsteigerungen am höchsten und die Spekulanten am eifrigsten, seit ihnen zuliebe der Flughafen Tempelhof plattgemacht wurde. Etwas weiter weg, in Berlin Weissensee, ist die Zuzugsquote junger Ehepaare und Familien am höchsten. Im Sandweg haben Lewandowskis jetzt ein neues Haus in der Nachbarschaft hingestellt bekommen.
„Wie lebt es sich denn in so einem nagelneuen Fertighaus?“, fragt Frau Lewandowski ihre neue Nachbarin. — „Wunderbar! Seit wir hierher gezogen sind, mein Mann und ich, seitdem haben wir uns noch kein einziges Mal gestritten.“ — „Ach was?“, staunt Frau Lewandowski, „wie ist den so etwas möglich?“ — „Wir trauen uns einfach nicht, mit den Türen zu knallen.“
Henry William St. Pierre Bunbury: „Ich mit Frau und Tochter“ (1795). [Bildquelle: The Yorck Project.]= = =
S;=)
3. Spruch zum Tage:
Adenauer hat behauptet, das einzige, was wir Sozis vom Geld verstünden, sei, dass wir es von andern wollen. Mit dem Berlin-Brandenburger Großflughafen Willy Brandt konnten Platzeck und ich diesem rheinischen Kapitalisten endlich, endlich mal das Gegenteil beweisen!
KLAUS WOWEREIT, studierter Jurist (sollte ein Scherz sein, das Zitat – also von mir jetzt).
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S;=)
4. Kalendergeschichte:
Zwei Mütter reden über Gott und die Welt und ihre Sprösslinge: „Weiß Ihr Sohn denn schon, was er werden will?“ – „Rechtsanwalt. Er ist ein Streithammel, steckt seine Nase ständig in anderer Leute Angelegenheiten und weiß immer alles besser. Da hab ich ihm geraten, er soll sich das bezahlen lassen.“
PS: Seit 1969 hat sich in D die Zahl der Rechtsanwälte pro Quadratkilometer ver80(achtzig)facht.
6. Fortsetzungsgeschichte: CAFÉ FANTASY – Folge 27
„Was lesen Sie selber denn jetzt, Garçon?“, fragte Frau Veronika Mewes-Fischer (82) an Tisch drei den Aushilfskellner und coolen Eismatscher vom CAFÉ FANTASY.
„Ach, ich lese gerade eine Geschichte über diese Serienmörderin, den Engel von Bremen, Veronika“, antwortete Urs Bergner (30) und stellte ihr einen Kaffee hin. „Soll ich Ihnen den Anfang vorlesen?“
„Ich bitte darum“, lächelte Veronika.
„Das Zitat vorneweg auch?“
„Alles ohne Zensur, Garçon“, sagte sie, „wir sind schließlich erwachsene Menschen, ich jedenfalls.“
Und Urs Bergner packte seinen Ebook-Reader aus. „Das Buch gibt es aber auch gedruckt“, erläuterte er. „Bloß so kann ich unterwegs gleich eine ganze Bibliothek mitnehmen, Veronika. Da wird Lesen wie Fernsehen und ich kann zappen nach Herzenslust.“
„Sehr schön, Garçon“, nickte sie und wurde dann energisch: „ANFANGEN! ANFANGEN!! ANFANGEN!!!“
Urs Bergner hub an mit seiner Buchvorstellung:
Es gibt zwei Arten von Weltgeschichte: Die eine ist die offizielle, immer frisch frisiert und für den Schulunterricht bestimmt, eine Bilderbuchgeschichte für unsere Kleinen; und dann ist da die andere geheime Geschichte, welche die wahren Ursachen der Ereignisse in sich birgt, eine Geschichte der Schande und des Verbrechens.
HONORÉ DE BALZAC, Verlorene Illusionen.
Am 2. Januar 1813 starb in Bremen der alte Miltenberg, Gesches Schwiegervater. An dessen Sterbebett lernte sie zum ersten Mal in ihrem Leben die Gegenwart des Todes kennen. Zur Verwunderung aller ging sie sogar noch abends im Dunkeln hin und drückte dem Toten die Hand, um ihm eine gute Nacht und einen guten Schlaf zu wünschen. Sie schien überhaupt keinen Horror vor dem Leichnam zu empfinden.
Das Einzige, was sie wirklich und wahrhaftig jeden Tag mehr störte, war der junge Miltenberg, ihr Mann, der als scheintote Schnapsleiche durch die Gegend torkelte und Geld kostete, richtig viel Geld.
Dies war ein Trailer und die Ouvertüre sozusagen, verehrte Leserin und geschätzter Leser, weil: Hier geht es um den Tod in Serie, wenn die Hauptperson erst mal richtig in die Gänge kommt. Ich sag es als Kollege Autor nur schon vorher, damit Sie nachher keinen Schreck kriegen. Ansonsten können Sie sich jetzt getrost eine Tasse First Flush Tippy Golden Flowery Orange Pekoe aus dem Teehaus Paul Schrader eingießen oder ein Fass Beck’s Bier aufmachen und in Opas Lehnstuhl oder in die Wohnlandschaft zurücklehnen und sich sicher sein, dass Ihnen außer Gruseln nichts passieren kann, denn das Schwarze hier sind ja nur die Buchstaben zu Ihrer kriminellen Unterhaltung, wenn alles klappt und nicht nur die Tür.
Es ist der 13. April 1806. Um 12 Uhr mittags schüttet und hagelt es dermaßen auf die Hansestadt Bremen, dass du keine Ente vor die Tür gejagt hättest. Trotz des schauerlichen Sauwetters schoss Wollnäherin Margarete Timm durch dicke Regenfäden mit Hagelknoten hin und stammelte immer wieder dasselbe: „Syphilis… Miltenberg hat Syphilis…“
Viertel nach zwölf saß dieses blasse, zitternde, durchnässte zierliche Weiblein nun endlich warm und trocken bei der grobknochigen Kapitänswitwe Erna Blei, die vor drei Jahren erst nach Bremen gezogen war. Trotz ihrer vierkantigen Statur wirkte sie hübsch durch ihr angenehmes Gesicht, glänzende dunkle Haare und fröhliche braune Augen. Sie hatte sich auf zurückhaltende Art einen Platz an der Sonnenseite Bremens erobert durch geistige Regsamkeit und eine liebevolle Ausstrahlung. Und sie hatte bis jetzt alle Rechnungen und ihre Miete immer pünktlich bezahlt. Woher sie das Geld nahm, wusste keiner, doch denen, die es kassierten, war das egal. Witwe Blei roch nach Aloe Vera. Es hieß von ihr, sie habe das zweite Gesicht.
Margarete Timm gehörte zu jenen Leuten, die sich gern die Karten legen lassen, wenn sie nicht mehr wissen, was Trumpf ist. Diesbezüglich galt Erna Blei als anerkannte Fachfrau, gerade auch wegen ihrer Zurückhaltung und der Tatsache, dass sie sich nie aufdrängelte mit ihren Karten oder ihre Fähigkeiten selber lobte.
„Ich hab gehört, Mutter Timm, Vater Timm soll als Damenschneider dermaßen fleißig sein, dass er beim Nähen die Luft anhält, um zehn Stiche mehr pro Tag zu schaffen“, lachte die lustige Kapitänswitwe. „Herzlichen Glückwunsch! Dann brauchst du dir ja keine Sorgen zu machen wegen deines Haushaltsgeldes.“
„Wie viel?“ fragte Mutter Timm und zog einen kleinen Geldbeutel aus den nassen Falten ihrer Kleidung.
„Einen Taler kostet dich der Spaß heute, weil du es bist.“ Der Taler wanderte übern Tisch und verschwand in Ernas roter Manschette am linken Ärmel. Nun wickelte sich die Witwe ihren schwarzen Schal um den Kopf und zündete noch drei Kerzen an.
„Wo brennt‘s denn diesmal, Mutter Timm?“ fragte Witwe Blei, die Mitte zwanzig war und aussah wie Ende vierzig.
„Der Miltenberg hat Syphilis, Erna“, keuchte Mutter Timm, „und er säuft wie ein Loch. Aber davon haben wir doch gar nichts geahnt, als er um Gesches Hand anhielt.“
Pause. Erna Blei hatte es nicht eilig und schon Schlimmeres erlebt.
„Und unser Sohn macht mir das Herz schwer“, fuhr die Timm zitternd fort. „Ständig läuft Johann Timm junior mit finsteren Blicken durch die Gegend, redet mit niemandem und ist so unzufrieden, dass Gott erbarm. Und regnen tut es ja nun auch noch wie die Sintflut. Hoffentlich halten die Deiche das viele Wasser aus. Ich weiß gar nicht, was aus uns werden soll, wenn es so weitergeht.“ Sie seufzte inbrünstig. „Wenn doch der Miltenberg bloß verrecken würde an seinem Suff.“
Witwe Blei mischte schweigend ihre Karten durch, ließ Mutter Timm abheben und legte den halben Tisch in Viererreihen voll. Dann konzentrierte sie sich. Draußen rauschte der Regen weiter wie die Niagarafälle.
Die Kapitänswitwe schwieg weiter, bis ihre Klientin es nicht mehr aushielt. „Was siehst du denn, Erna? Nun sag mir‘s doch!“
„Dein Sohn wird bald im zweitältesten Gewerbe der Welt arbeiten, Margarete“, flüsterte Erna geheimnisvoll.
„Ich weiß ja, was das älteste Gewerbe der Welt ist“, stotterte Mutter Timm. „Aber was ist denn das zweitälteste?“
„Du wirst es schon sehen, wenn er soweit ist“, antwortete die Witwe, die beim Wahrsagen immer gern mit den leichtesten Themen anfing. „Kann ich sonst noch etwas für dich tun, Margarete? Willst du vielleicht einen Blick in die Zukunft deiner Tochter werfen? Oder willst du wissen, ab wann in Bremen wieder die Sonne scheint?“
„Am besten beides“, antwortete Mutter Timm und kicherte wie ein Backfisch. Sie war kurz vorm Nervenzusammen-bruch gewesen und nun wie ein Kind, das Lachen und Weinen in einem Sack hat.
Erna Blei betrachtete noch einmal die Karten, bekam plötzlich einen schweren Hustenanfall, riss das Fenster auf, um wieder Luft zu bekommen, und fing dann mit einem leidenschaftlichen Sopran an zu singen:
„Glücklich ist,
Wer vergisst,
Was doch nicht zu ändern ist.“
Sie hatte nämlich nicht nur das zweite Gesicht, sondern auch noch das zweite Gehör für kommende Melodien.
Gerichtsdiener Lüder Siemers lehnte zur gleichen Zeit am offenen Fenster des Stadthauses, fand diesen Gesang in der Ferne total kurzweilig, nuckelte an seiner weißen Tonpfeife und war ganz froh über seinen krisensicheren Job. Normalerweise spuckte er nie aus, das hatte er sich im Gerichtssaal abgewöhnt, doch diesmal spie er fröhlich nach draußen in den Regen und beteiligte sich so auch noch privat am öffentlichen Niederschlag.
Wenig später schimmerte der Himmel über Bremen wieder wolkenlos und hell wie ein Festzelt von innen.
Noch später kehrte Mutter Timm heim und zog ein trockenes Kleid an, ein riedgrünes Maxikleid aus der preiswerten Wolle von wegen Sturmflut ertrunkenen und notgeschlachteten irischen Küstenschafen.
„Es wird alles gut werden, Vater“, sagte sie ruhig zu ihrem Mann, der gerade wieder beim Nähen die Luft anhielt. „Es wird alles gut.“
Zur gleichen Zeit redete der junge Senator und Untersuchungsrichter Droste ein ernstes Wort mit Gerichtsdiener Siemers. „Das geht so nicht weiter, Lüder“, sprach Droste. „Die Verbrecher beschweren sich schon über dich und sagen, wie du herumläufst, das sei der schlimmste Räuberzivil, den sie je gesehen hätten. Also kauf dir gefälligst endlich einen Gürtel, sonst denken alle, du machst dir die Hose mit der Kneifzange zu.“ Weil der Senator seinen sozialen Tag hatte, gab er Siemers einen Taler als Zuschuss für Dienstkleidung.
Ungefähr siebzehn Minuten später betrat Lüder Siemers das Sattlereigeschäft Pelzerstraße 37, in dem Gesche Miltenberg, geborene Timm, hinterm Verkaufstresen stand. Nach einem Blick auf seine frisch geröhrten Hosen strahlte sie den Kunden wie eine Honigkuchenkönigin verkaufsfördernd an. „Was darf’s denn sein, Herr Gerichtsdiener?“
Gesche war so hübsch, dass Siemers erst mal die Spucke wegblieb. Diese neue Hauptrolle als Hausherrin kam ihren Starallüren sehr entgegen und auch als Gattin lebte sie sich lässig und geschickt an der grünen Seite des Sattlermeisters Miltenberg ein, wenn der denn nicht gerade blau war. Leider nagte zwischen seinen Beinen diese ekelhafte Krankheit, die er sich als gern gesehener Besucher bei Bremens Hafennutten geholt hatte. Bis zur vollständigen Heilung war er bei seinen ehelichen Pflichten erst mal dienstuntauglich. Doch weil er selber sowieso mehr Säufer als Sexist war und Gesche ihn nicht nur aus Liebe geheiratet hatte, konnten beide diese Schonzeit verhältnismäßig gut verkraften, obwohl Gesche sich inzwischen doch ein bisschen einsam vorkam.
„Heute brauch ich einen Gürtel, tapfere kleine Frau“, brummte Siemers und fand sich verdammt charmant.
„Wie wär’s mit dem hier?“, frug Gesche und warf locker einen fast handbreiten Riemen aus bestem Büffelleder mit silberner Gürtelschnalle auf den Ladentisch. „Das Modell wird immer gern genommen und ist jetzt total angesagt in Paris, New York und Sankt Petersburg.“
„Du musst es ja wissen, Gesina“, brummte Lüder und machte damit bei ihr zwanzig Punkte, denn so nannte sie sich selbst gern. „Mit dem feschen Gürtel da muss ich mich doch vor allen Bremerinnen verstecken, wenn ich mal eine Nacht alleine verbringen will. Ich brauch aber was Seriöses fürs Gericht und fürs Stadthaus.“
„Wie kommt Ihr denn klar mit den eingesperrten Verbrechern im Stadthaus?“, fragte sie neugierig. = = =
Frau Mewes-Fischer war nun ebenfalls neugierig geworden. „Dieses Buch interessiert mich, Garçon“, sprach sie. „Wo gibt es das denn?“
„Hier“, antwortete Urs Bergner, „Sie müssen nur das Titelbild anklicken“:
Vorlesung, Marianne Kunz-Jäger: mau – meine filosofien – mein leben – meine katzastrophen;
Fortsetzungsgeschichte CAFÉ FANTASY, Folge 26.
Eine besondere Schmakazieteilen wir gern mit aus Blancas genialem kleine Kleinigkeiten-Blog: Anleitung zur Ladylike-Strickjacke
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Nächsten MONTAG ist Tagblatts Ruhetag, übrigens.
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1. Ton ab für etwas Aktuelles:
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2. Bild des Tages:
Franz Marc: Akt mit Katze. (1899). [Bildquelle: The Yorck Project.]= = =
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3. Spruch zum Tage:
Man sollte Ehrgeiz besitzen, ohne von ihm besessen zu sein.
JOHN HUSTON.
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4. Kalendergeschichte:
„Ich glaub, ich bin ein Hund“, sagt der neue Patient zu Dr. Psychomann.
– „Seit wann glauben Sie das denn?“, fragt der Dr.
– „Seit ich ein Welpe war.“
– „OK, ich hab Ihr Problem verstanden“, nickt Dr. Psychomann. „Dann legen Sie sich jetzt bitte hier auf die Couch.“
Der Patient schüttelt den Kopf. „Tut mir leid, aber ich darf nicht auf Sofas.“
6. Fortsetzungsgeschichte: CAFÉ FANTASY – Folge 26
„Was lesen Sie denn gerade, Veronika?“, fragte Urs Bergner, der Aushilfskellner und Eismatscher vom CAFÉ FANTASY, seine Stammkundin Frau Mewes-Fischer an Tisch drei.
„Ach, Garcon“, antwortete sie, „ich hab gerade ein Buch über Johnny Cash angefangen, seine Lebensgeschichte. Wollen Sie mal einen Blick hineinwerfen?“
„Warum eigentlich nicht“, antwortete Bergner. Das erste Kapitel des Buches, das Veronika gerade an Tisch drei liest, sieht so aus:
1932: „Hello, I’m Johnny Cash“
„Wo du nicht bist, dort ist das Glück“, heißt es im Lied vom Wanderer — nicht in dem, das der Ire Bono für den Ami Johnny Cash geschrieben hat als Finale des U2-Albums „Zooropa“ (1993), sondern in jenem Song vom österreichischen Komponisten Franz Schubert (1821, nach einem Gedicht des Georg Philipp Schmidt von Lübeck). Zwischen Cash und Schubert liegen Welten. Aber Welten liegen immer dazwischen, zwischen dir und mir und Deutschland und Amerika und wandern tun wir doch alle so lange, bis wir ankommen und wohnen bleiben in unseren Räumen und Worten und Taten. Wenn wir das Glück nicht mehr suchen, dann haben wir es gefunden.
O-Ton Cash: „Mein erstes Lied, an das ich mich erinnern kann, ist ‚Ich fahre ins verheißende Land — I’m Bound for the Promised Land‘. Das sangen wir, während unsere Familie 1935 auf dem Weg nach Dyess war.“ Nach und zu Dyess kommen wir auch noch in diesem Text, genauso wie zum Märchen von Dornröschen und dem Froschkönig. —
26. Februar 1932. Im fernen Nordamerika in Kingsley, Arkansas, liegt noch Schnee auf den Baumwollfeldern, während mit Hilfe der Hebamme ein Kind geboren wird. Es ist der dritte Sohnemann für die Familie Cash. Mutter Carrie will ihn John nennen nach ihrem Vater John Rivers. Ihr Mann Ray will ihn Ray nennen. Er schlägt „Ray John Cash“ vor.
Die Hebamme Rosy Collins, eine resolute Rothaarige, packt ihre Sachen zusammen.
Carrie schüttelt den Kopf. Sie schlägt „John Ray Cash“ vor, während das neugeborene Baby Geräusche macht und anfängt, Singen zu üben.
Madam Collins wirft ihr Feuerwehrhaar nach hinten und will sich verabschieden.
Ray schüttelt den Kopf. Er bleibt bei „Ray John Cash“.
„Ich muss jetzt weiter“, sagt Rosy, die Hebamme. „Nennt ihn doch J. R. Cash, dann haben alle gewonnen. Und nun macht’s gut, bis zum nächsten Ableger!“
Wenn Arbeiten glücklich macht, dann war Johnnys Vater Ray bestimmt glücklich, denn er malochte von früh bis spät, um seine Frau Carrie und die Kinder zu ernähren und sich selbst natürlich auch.
Nahe an ihrem Haus lagen die Gleise der Eisenbahn. Besonders das Rollen der Güterzüge mit ihrem „Boom-Chicka-Boom“ drang bis durch die Wände und ins Ohr des Krabblers J. R. Als er drei Jahre alt war, stellte er sich hin und winkte. Der Lokomotivführer winkte zurück. J. R. Cash fühlte sich in diesem denkwürdigen Augenblick wie Jim Knopf persönlich.
Henri de Toulouse-Lautrec: Ball im Moulin Rouge (1890). [Bildquelle: The Yorck Project.]= = =
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3. Spruch zum Tage:
Ich liebe Bilder, die in mir den Wunsch erwecken, in ihnen herumzuspazieren, wenn es Landschaften sind, oder sie zu liebkosen, wenn es Frauen sind.
AUGUSTE RENOIR.
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4. Kalendergeschichte:
In Spanien kommt ein Junge neu in die Klasse. Der Lehrer sagt, „stell dich vorne hin, sag deinen Namen und was dein Vater von Beruf ist!“
Der Junge steht vor der Klasse und sagt:“ ich bin der Juan und mein Vater arbeitet als Stripper in einer Schwulenbar.“
Der Lehrer ist konsterniert und bittet den Jungen Platz zu nehmen. Nach der Stunde nimmt er den Jungen zur Seite und fragt: „Stimmt das? Dein Vater strippt in einer Schwulenbar?“
„Nein“, sagt der Junge, „mein Vater kickt in der Nationalmannschaft, aber das wollte ich vor der Klasse nicht sagen.“
1.a) Das Nachspiel bzw. Cover gefällt mir bald noch besser, also Bild und Ton ab für Michelle Branch:
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S;=)
2. Bild des Tages:
Alfons Mucha: Plakat fürs Damenradeln mit der Marke „Perfecta“ (1902). [Bildquelle: en.wikipedia.]= = =
S;=)
3. Spruch zum Tage:
Man soll erst dann ein Damenfahrrad anschaffen, wenn man sich auch eine Dame leisten kann.“
WILLY WACKER.
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4. Kalendergeschichte:
Heuernte und Brotzeit. „Endlich mal was Erfreuliches in den Medien“, freut sich der Bauer und schlägt die Zeitung auf. – „Was denn?“, fragt der Knecht. – „Na, hier – zwei Schinkenbrote und einen Apfel hat meine Frau mir eingepackt.“