Sonnabend, 15. März 2014 – „WiTzels Tagblatt“ Nr. 38

Sonnabend, 15. März 2014

  1. Tagesmusik heute ist eins meiner Lieblingslieder, „Jambalaya“, in einer fetzigen Zydeco-Version von Queen Ida;

  2. Bild des Tages in laufenden Bildern, hier wird Zydeco getanzt;

  3. Spruch zum Tage von Joachim Ringelnatz;

  4. Katzen-Kalendergeschichte von Karl Simrock zum Thema: „der Katze die Schelle umhängen“;

  5. Vorlesung, diesmal anlässlich der Amtseinführung von Barack Obama mit einem Gedicht von Robert Frost für John F. Kennedy;

  6. Fortsetzungsgeschichte MATA HARI.

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Tagesmusik, Queen Ida mit „Jambalaya“:

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S;=)

Das Bild des Tages besteht aus laufenden Bildern, da wird Zydeco getanzt [ACHTUNG! AUCH MIT MUSIK !!!], und diesen Tanz find ich ja nun verdammt witzig

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S;=)

Spruch zum Tage: „Überall“

Überall ist Wunderland.
Überall ist Leben.
Bei meiner Tante im Strumpfenband
Wie irgendwo daneben.

JOACHIM RINGELNATZ.

Kleine (Kalender-)Geschichte:

KARL SIMROCK

Der Katze die Schelle anhängen

Die Mäuse hielten einmal eine Volksversammlung, um sich zu beraten, wie sie den Nachstellungen der Katzen entgehen könnten. Da war aber guter Rat teuer und vergebens rief der Vorsitzende die erfahrensten Männer der Gemeinde auf, bis endlich ein junger Mäuserich zwei Finger emporstreckte und um die Erlaubnis bat zu sprechen. Als ihm nun das Wort erteilt wurde, hub er an und sprach: „Ich habe lange darüber nachgedacht, warum die Katzen so gefährlich für uns sind. Das liegt gar nicht mal an ihrer Geschwindigkeit, von der so viel Wesens gemacht wird: Würden wir sie rechtzeitig gewahr, so wären wir wohl behende genug, in unser Loch zu entspringen, ehe sie uns etwas anhaben könnten.

Ihre Überlegenheit liegt viel mehr an ihrer Lautlosigkeit und in ihren samtenen Pfoten, hinter welchen sie ihre grausamen Krallen so lange verbergen, bis sie uns in den Tatzen haben. Denn weil wir den Schall des Katzentritts nicht vernehmen, deshalb tanzen und springen wir noch unbesorgt über Tisch und Bänke, während der Tod schon heranschleicht und den Buckel zum Sprunge krümmt, um uns zu haschen und zu würgen.“

Darum ist meine Meinung, man müsste der Katze eine Schelle anhängen, damit ihr Schall uns ihre Nähe verkünde, bevor es zu spät ist.

Dieser Vorschlag fand so großen Anklang, dass er wenig später zum Beschluss erhoben ward. Es fragte sich jetzt nur noch, wer es übernehmen sollte, der Katze die Schelle anzuhängen. Der Vorsitzer meinte, hierzu werde niemand geeigneter sein als derjenige, der den so schlauen Rat erdacht habe. Da geriet der junge Mäuserich in Verlegenheit und stotterte die Entschuldigung heraus, hierzu sei er zu jung, er kenne die Katze nicht genug. Sein Großvater, der sie besser kenne, werde dazu geschickter sein. Jener erklärte aber, eben weil er die Katze so gut kenne, werde er sich wohl hüten, einen solchen Auftrag zu übernehmen.

Auch sonst wollte sich niemand hierzu verstehen und so blieb der Beschluß bis auf diesen Tag unausgeführt und die Herrschaft der Katzen über die Mäuse ungebrochen.

(Leicht bearbeitet von HeWi. – Diese Geschichte passt gut in unsere Zeit, weil wir ja auch gern wenigstens die Mäuse unserer Kinder und Enkelkinder retten wollen.)

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Vorlesung: zur Musik aus den USA passt auch

http://volkslesen.tv/03-09-inauguration-week-robert-frost/

Bitte um Entschuldigung für das viele unübersetzte Anglo-Amerikanisch im heutigen Tagblatt! Morgen machen wir das wieder besser…

Fortsetzungsgeschichte MATA HARI —

COVER-Mata_Hari

 Der letzte Tag

Es war üblich im damaligen Frankreich, den zum Tode Verurteilten ihren Hinrichtungstermin erst eine Stunde vorher mitzuteilen. – Wir übernehmen für den weiteren Ablauf teilweise Informationen aus dem Bericht des Amtsarztes Dr. Bizard, eines Kollegen des Gefängnisarztes Dr. Bralez. –

Vor dem Gefängnis herrscht am 15. Oktober 1917 ein ziemlicher Andrang, obwohl es fünf Uhr früh ist. Die kräftige Stimme eines Hauptmanns sagt: „Es ist Zeit, meine Herren. Wir müssen hinaufgehen.“

Um der Menge Herr zu werden, befiehlt der Oberst Somprou in seiner Autorität als oberster Richter kurz, dass nur ausdrücklich bevollmächtigte Personen die Gefängniszelle betreten dürfen. Alle anderen haben mit ihm draußen zu warten. Sein gutes Beispiel sorgt für Ruhe.

Die Bevollmächtigten gelangen zuerst in die Kanzlei im ersten Stock, genannt: „Brücke von Avignon“. Hier muss jeder durch, der die weit verzweigten Räume des Gefängnisses Saint-Lazare betreten will.

Dann führt der Weg über einen langen Korridor, von den Ordensschwestern liebevoll mit Teppichen ausgelegt, um den Marschtritt des kleinen Zuges zu dämpfen und die Verurteilte vor Angst und Schrecken zu bewahren.

Schwester Léonide als Aufseherin öffnet die Zelle. Dort schlummern drei Frauen in ihren Betten. Der Hauptmann fragt: „Welche?“

Die in der Mitte“, antwortet die Schwester.

Mata Hari schläft tief, weil Dr. Bizard ihr am Abend vorher ein Schlafmittel gegeben hat. Die beiden anderen inhaftierten Frauen werden vor ihr wach und fangen an zu weinen, während eine Nonne, die Nachtdienst hatte, das Lampenlicht, das sie trug, nun auf den Boden stellt, sich hinkniet und betet.

Der Hauptmann rüttelt die Verurteilte aus dem Schlaf. Mata Hari reibt sich die Augen und versucht etwas zu sagen. Dann richtet sie sich auf, während der Soldat als Bevollmächtigter des Standgerichts mit fester und doch leicht zitternder Stimme sie mit ihrem zivilen Geburtsnamen anspricht und sagt: „Zelle, zeigen Sie Mut. Der Präsident der Republik hat Ihr Gnadengesuch abgelehnt. Ihre letzte Stunde ist gekommen.“

Tiefe Stille breitet sich im Raum aus. Mata Haris Gesicht verschwimmt im Halbdunkel, nur zwei funkelnde Augen sind noch sichtbar. Sie sagt leise und matt: „Das ist unmöglich.“ Dann wird ihre Stimme lauter und stärker und sie wiederholt es immer wieder: „Das ist unmöglich. Das ist unmöglich.“ Mindestens zehnmal spricht sie es aus wie ein Mantra, wie eine Beschwörungsformel.

Doch dann hat sie sich rasch gefangen und sagt zu ihrer Aufseherin Schwester Léonide, die sich darum bemüht, die zum Tode Verurteilte aufzubauen und zu ermutigen: „Keine Angst, liebe Schwester, ich kann sterben, ohne schwach zu werden. Sie sollen einen schönen Tod sehen.“

Dr. Bralez bietet ihr ein Glas Grog zur Stärkung an und Dr. Bizard Riechsalz. Mata entscheidet sich für den Grog. Dann beginnt sie sich noch im Bett anzuziehen oder vielmehr, sie wird angekleidet, während fast alle Anwesenden bis auf die beiden Ärzte rücksichtsvoll den Raum verlassen.

Sie bekommt ihre Privatkleidung.

Eine Nonne will sich vor sie stellen wie ein Garderobenschirm und tadelt die Verurteilte, weil sie beim Strümpfe anziehen den Ärzten zu viel Bein zeigt. „Lassen Sie nur“, sagt die Todgeweihte. „Scham hat in diesem Augenblick hier nichts mehr zu suchen.“

Wird fortgesetzt.

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